Guten Morgen, einen schönen Sonntag wünsche ich Euch,

mich beschäftigt eine Frage: haben Demenzkranke eigentlich ein Zeitgefühl?
Ich meine das so: Merkt meine Mutter eigentlich, wenn ich mal einen Tag nicht komme? Wenn ich mich von ihr veraschiede, sage ich: also Mutti, dann bis morgen. Manchmal sage ich: dann bis übermorgen.
Einmal hat sie gesagt: das dauert aber lange.....

Beim letzten Termin beim Neurologen habe ich gefragt, was ich für meine Mutter noch tun könnte außer spazieren gehen. Die Antwort war: immer im Gespräch bleiben. Wenn ich meine Mutter nicht ansprechen würde, spricht sie nicht, sie schaut zwar interessiert umeinander.

Also mache ich das jetzt so: Wenn ich mit ihr im Cafe sitze, frage ich sie was so auf dem Tisch steht (Tasse, Teller, Löffel) und wenn wir spazieren gehen, zeige ich auf das, was so im Park herumsteht (Stühle, Bänke, Bäume, der Teich). Natürlich frage ich das in aller Ruhe und mache auch Pausen. Ich merke dann schon, wenn es ihr zuviel wird.

Letzte Woche habe ich einen Block gekauft und habe sie mal schreiben lassen - ganz einfache Wörter - das ging noch sehr gut.

Ich mache das nicht jeden Tag. Gestern z.B. war hier schönes Wetter, da sind wir im Park gesessen und haben uns die Sonne ins Gesicht scheinen lassen.

Heute werde ich mal wieder ein Fotoalbum mitnehmen - da kennt sie alle Familienmitglieder -.

Das waren mal so ein paar Gedanken von mir.

Liebe Grüße an Euch von Karin

Liebe Karin,
das Zeitgefühl geht mit der Zeit verloren. Das kann ich auch aus Erfahrung mit unserer Mutter sagen. Manchmal war ich nur 5 Minuten weg, als ich wiederkam beschwerte sie sich, warum ich so lange nicht da war... Sie vergessen es einfach.

Schön, dass du dir so viele Gedanken um deine Mutter machst. Solange du merkst, es macht ihr Spass und sie macht mit, ist das eine schöne Abwechselung. Ich hoffe, du hast noch viele solcher schönen Momente mit ihr.

LG Biggi

Hallo Karin,

bei meinem Vater waren es erste - nicht beachtete - Anzeichen seiner Demenz, daß seine zeitliche Orientierung ab und zu nicht mehr gegeben war. Besonders, wenn er in seinem Sessel eingenickt war und im Winter dann im Dunklen erwachte, konnte er mitunter nicht erkennen ob es nachmittags, abends oder morgens war. Er hat mich auch schon mal angerufen und nachgefragt. Ab und zu bringt er auch die Wochentage durcheinander, schaut dann beim Vortag in die Fernsehzeitung und schimpft, daß etwas ganz anderes gesendet wird. Ich habe bisher aber nicht festgestellt, daß er ganz kurze Zeitabläufe für längere hält. Aber das ist sicher auch bei jedem unterschiedlich. Dagegen kann er überhaupt nicht mehr erfassen, was 2 Jahre oder 20 Jahre oder auch 70 Jahre zurückliegt. Wenn er plötzlich alltägliche Gewohnheiten wechselt, meint er stets, daß er es doch noch niemals anders gemacht hätte.

Ich sehe das aber als eines der geringsten Probleme an.

Grüße von Marie

Hallo Karin
Bei meinem Vater ist es mittlerweile leider auch so, das er länger zurück liegende Geschehnisse nicht mehr in eine Zusammenhang bekommt. Andersrum, wenn der Arzt mal vorbei schauen will und sich für eine bestimmte Uhrzeit angemeldet hat,aber aus welchen Gründen auch immer nicht pünktlich ist bemerkt Papa das sofort, das macht ihn dann immer total sauer, weil er sein Leben lang immer auf Pünktlichkeit wert gelegt hat.Ich versuche manchmal, ihm dann länger zurückliegende Geschehnisse so zu erklären, das er sich dann doch erinnert, manchmal gelingt mir das auch, braucht aber sehr viel Geduld.Ich merke aber schon, das er dann ein bisschen stolz ist, das es ihm doch wieder eingefallen ist. Ich denke man sollte dieses Vergessen nicht mit einem negativen Gefühl für den betroffenen behaften, was in meiner Familie leider nicht jedem gelingt, ::nein:: Ich finde es schön das du deine Mutter so liebevoll unterstützt.
L.G. Diana

Liebe Karin

Ich würde es so ausdrücken. Zeitgefühl ist da, aber eben ganz anders. Nämlich rein emotional empfunden. Wir können uns das etwa so vorstellen, das wenn wir selber manchmal eine Stunde/Tag auf etwas warten, uns diese Zeit wie eine Ewigkeit vorkommen kann, manchmal wiederum geht diese Zeit wie im Flug vorbei. Genau so ist es für Demente. So kann es sein, das wir nur kurz weg gehen und dennoch kommt es für unsere Dementen schon wie eine Ewigkeit vor. Es kann aber auch sein das wir sie einige Tage nicht besuchen gehen und wenn wir kommen dann heisst es, "du warst doch erst gerade da". So ist es auch mit Tag-/Nachtumkehr. Wenn Demente nachts aufwachen dann ist es für sie "logischerweise" Morgen und Zeit zum aufstehen. Selbst wenn es noch mitten in der Nacht ist. Wiederum wenn sie Tagsüber müde werden, dann ist es für sie folgedessen Abend und Zeit zum schlafen gehen.

Das Zeitgefühl ist also rein emotional nach ihrem eigenen jeweiligen Gefühl und Empfinden zu verstehen. Ich persönlich finde es besser, wenn man sich einfach nur verabschiedet und sagt "bis später", als z.B bis Übermorgen. Weil wenn in dem Augenblick das Wort "Übermorgen" verstanden wird, dann scheint das Übermorgen weit weg zu sein. Unser Erik war manchmal ganz schön sauer wenn ich sagte "bis Übermorgen", wärend das "bis später" eher akzeptiert werden konnte. Danach hing es so oder so, nur von seinem Empfinden des Vermissens, oder Vergessens ab - unabhängig was ich bei der Verabschiedung sagte. Also wollte ich den Varbschiedungsaugenblick für ihn nicht unnötig schwer machen.

Ich finde du machst es ganz toll mit deiner Mutter und gehst liebevoll auf sie ein. Es gibt so viele Kommunikationsmöglichkeiten und das Wichtigste dabei ist gemeinsam geniessen zu können.

Ich wünsche euch noch viele schöne gemeinsame Stunden

Liebe Grüsse

Ursula

Liebe biggi,
liebe marie,
liebe diana44,
liebe ursula,

ich danke Euch allen für Eure lieben Antworten, ich fühle mich richtig wohl bei Euch, es ist schön, wenn mir jemand "zuhört".......

Mit meinem Mann kann ich zwar auch über meine Mutter reden, aber ich denke, daß er manchmal mit dem Thema etwas "überfordert" ist. Bei meinem Bruder ist das auch so, die Beiden nehmen das alles viel "leichter" als ich. Na ja, es sind Männer... .

Also dann noch einen schönen Tag und liebe Grüße aus dem Allgäu

Karin